In unserem Darm lebt eine Masse von etwa 1.5 Kilogramm Mikroorganismen. Lange Zeit nahm die Wissenschaft dies mit einem Schulterzucken zur Kenntnis. Immer stärker kommt aber zum Vorschein, wie wichtig die Darmflora für unsere Gesundheit ist.
Im unteren Dünndarm sowie im gesamten Dickdarm leben zehn Billionen Keime. Gemessen an der Anzahl Zellen besteht ein Mensch zu 90% aus Bakterien. Auch auf der Haut, in der Mundhöhle, dem Intimbereich usw. gibt es eine natürliche Besiedlung mit Bakterien und Hefepilzen. Die Gesamtheit an Keimen im Menschen bezeichnet man als das Mikrobiom.
Derzeit wird geschätzt, dass 500-1000 verschiedene Arten von Mikroben unseren Darm bevölkern. Zusammen verfügen sie über einen Pool von neun Millionen Genen - verglichen mit etwa 22'000 Genen, die das menschliche Erbgut ausmachen!
Bakterien, Pilze und andere Mikroben haben wir vor allem als Erreger von Krankheiten im Gedächtnis. Daher wusste die Medizin auch lange nichts anzufangen mit diesen Keimen, die uns schon von
Beginn unseres Lebens an begleiten, uns nicht schaden, aber scheinbar auch zu nichts nütze sind. Die gängige Vermutung war und ist, dass die Keimbesiedlung es für Krankheitserreger schwieriger
macht, sich im Menschen anzusiedeln.
Die Forschung der letzten 20 Jahre aber weist immer klarer darauf hin, dass die Darmflora nicht nur eine wichtige Rolle für unsere Gesundheit spielt, sondern sogar lebenswichtig ist. :
- Mikroorganismen im Darm produzieren Nährstoffe, die für den menschlichen Körper wichtig sind oder machen gewisse Nahrungsbestandteile erst für den Menschen verfügbar.
- Das Mikrobiom steht im ständigen Kontakt mit unserem Immunsystem. Die verschiedenen Mikroorganismen scheiden einerseits Stoffe aus, die das Immunsystem bei der Bekämpfung von Krankheitserregern unterstützen und andererseits solche, welche Entzündungsreaktionen hemmen. Die Mikroben halten das Immunsystem gewissermassen in Balance.
- Die Stabilität der Darmschleimhaut wird durch eine gesunde Darmflora gewährleistet. Im gesunden Zustand ist die Schleimhaut dicht und lässt nur Stoffe in die Blutbahn gelangen, die gezielt dorthin aufgenommen werden. Bei Störungen kann der Darm undicht werden, was Erkrankungen nach sich ziehen kann.
Versuche mit Tieren und Studen bei Menschen haben gezeigt, dass Störungen der Darmflora direkte Konsequenzen für die Gesundheit haben können. So wurde bei Allergien, Asthma, Ängstlichkeit, Depression, Diabetes, Bluthochdruck, Übergewicht und entzündlichen Darmerkrankungen ein Zusammenhang mit der Darmflora gefunden. Wenn man die Rolle der Darmflora für das Immunsystem und den Stoffwechsel betrachtet, erscheinen diese Zusammenhänge eigentlich nur logisch.
Dies sind Gründe dafür, weshalb Bakterien und Hefen auch therapeutisch eingesetzt werden. Am bekannesten sind diese sogenannten Probiotika zur Vorbeugung von Reisedurchfall. Infektionen mit dem Darmkeim Clostridium difficile konnten mit Hilfe eines Bakteriengemischs mit grossem Erfolg behandelt werden.
Inzwischen sind zahlreiche Probiotika mit mehreren dutzend verschiedenen Zusammensetzungen auf dem Markt. Im Einzelfall ist es nicht ganz einfach, den Nutzen eines bestimmten Präparats heraus-zulesen. Eine weiter reichende Beratung kann hier Abhilfe schaffen.
Verantwortlich für den Zustand unserer Darmflora ist letztlich unsere Ernährung. Mit vergärten Nahrungsmittel wie Jogurt, Kefir oder Sauerkraut nehmen wir probiotische Bakterienkulturen zu uns. Zur Ernährung einer gesunden Darmflora gehören zudem Vollkornprodukte, Gemüse und Früchte, denn sie sind reich an Fasern, von denen sich gutartige Bakterien ernähren. Solche Fasern, zum Beispiel Inulin, bezeichnet man als Präbiotika.
Wer hingegen zu viel Zucker oder raffinierte Kohlehydrate zu sich nimmt, nährt einzelne Mikroben, die mit der Zeit dominant werden können. Möglicherweise haben auch Konservierungsmittel und Antibiotika in Lebensmitteln einen negativen Einfluss auf das Gleichgewicht der Darmflora.
Fazit
Die Keime, die in unserem Darm leben, sind essentiell für unsere Gesundheit. Die Forschung bringt immer interessantere Erkenntnisse darüber, wie genau unser Körper von den Darmmikroben abhängt. In Zukunft dürften Probiotika und Ernährung eine wichtige Rolle in der Medizin spielen. Als Faustregel scheint zu gelten: je grösser die Artenvielfalt an nicht-schädlichen Mikroben in unserem Darm ist, desto gesünder sind wir.
Autor:
Florian Sarkar, eidg. dipl. Apotheker
Quellen:
R. Stocker: Das Mikrobiom: Ein Universum für sich. SZE 2/2016, 12-21
Anthony L. Komaroff: The Microbiome and Risk for Obesity and Diabetes. JAMA 2017; 317(4): 355-356.
Raphael Kellman: The Microbiome Diet. 1st Edition 2014, Da Capo Press, Boston
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