Demenz ist wohl die am meisten gefürchtete Krankheit im Alter. Sie ist nicht heilbar und führt zum steten Abbau der eigenen Persönlichkeit. Die Behandlung ist herausfordernd, orientiert sich aber immer stärker am Wohlbefinden der Patienten. Wie wir leben, hat grossen Einfluss darauf, ob wir eine Demenz entwicklen.
In einer neuen grossen Übersichtsarbeit hat eine Forschergruppe neun Risikofaktoren ermittelt, welche für etwa 35% der Demenzfälle verantwortlich ist. Das heisst, dass die Demenzfälle um etwa einen Drittel reduziert werden könnten, wenn alle diese Faktoren vermieden oder angemessen behandelt werden. Die häufigste Form von Demenz ist Alzheimer, daneben gibt es noch weitere, die sich in ihrer Ausprägung aber kaum unterscheiden.
1. Gehörverlust
Schwerhörigkeit beeinträchtigt die geistige Fitness. Sie erschwert den Umgang mit Mitmenschen und begünstigt dadurch den sozialen Rückzug und Vereinsamung. Ausserdem lässt sie die Erlebniswelt der Betroffenen verarmen, da wir über das Gehör extrem viele Sinneseindrücke erfahren. Es konnte schon zuvor gezeigt werden, dass Gehörverlust das Risiko für Depressionen erhöht, offenbar trifft dies auch auf den geistigen Abbau zu. Es ist daher wichtig, das Gehör testen zu lassen und gegebenenfalls auf Hörtrainings und -geräte zurückzugreifen.
2. Schlechte Schulbildung
Lernen stimuliert das Gehirn. Das trifft nicht nur auf intellektuelle Inhalte zu, sondern auch auf feine handwerkliche Tätigkeiten. Bildung ist ein Schutzfaktor gegen Demenz. Entsprechend ist das Risiko erhöht, wenn nur das Minimum der Schulbildung absolviert wird und auch später im Leben nichts Neues dazugelernt wird. Daher sollte man sich mit Hobbies beschäftigen, welche herausfordernd sind und einen zur Verbesserung zwingen. Dies hat eine bessere Wirkung als Tätigkeiten, die immer das gleiche Geschicklichkeitsniveau verlangen wie z.B. Kreuzworträtsel.
3. Rauchen
Rauchen schädigt unter anderem die Gefässe, verschlechtert die Durchblutung und damit die Sauerstoffversorgung des Gehirns. Dadurch ist zu erklären, weshalb sogenannte degenerative Krankheiten wie Demenz gefördert werden.
4. Unbehandelte Depressionen
Auch wenn Depressionen als seelische Erkrankung angesehen werden, haben sie auch direkte körperliche Folgen und Ursachen. Unbehandelt können sie zu Vereinsamung und geistiger Verarmung führen. Je früher die Depression auftritt und je länger sie unbehandelt bleibt, desto grösser ist das Risiko.
5. Bewegungsmangel
Bewegung hat so viele positive Wirkungen auf den Körper, dass sie quasi lebenswichtig ist. Einen einzelnen positiven Aspekt herauszugreifen, ist fast unmöglich, hingegen ist klar, dass wer sich weniger bewegt, häufiger an Demenz erkrankt. Als Minimum gelten 30 Minuten täglich in einer Intensität, die einen schneller atmen lässt und den Puls erhöht.
6. Soziale Zurückgezogenheit
Wie im Zusammenhang mit Gehörverlust und Depression bereits beschrieben, erhöht Einsamkeit die Wahrscheinlichkeit des geistigen Abbaus. Vermutlich hat dies mit der fehlenden Stimulation zu tun, die wir beim Umgang mit unseren Angehörigen erleben. Wer absichtlich abgeschieden von anderen Menschen lebt, erhöht also sein Demenzrisiko.
7. Hoher Blutdruck
Neben der allgemeinen Schädigung für Herz und Nieren hat die Beeinträchtigung der Gefässe auch Folgen für die Durchblutung im Gehirn. Dies dürfte der Grund für den schnelleren Niedergang von Gehirngewebe sein.
8. Übergewicht
Ebenso wie Bewegung wichtig für die Gesundheit ist, hat Übergewicht zahlreiche negative Folgen. Es steht im Zusammenhang mit niederschwelliger Entzündung, Problemen mit dem Herz-Kreislauf-System und vielem mehr. Vermutlich aussagekräftiger als das reine Körpergewicht bzw. der Body-Mass-Index (BMI) ist der Bauchumfang. Denn vom Bauchfett gehen Signalstoffe aus, welche die Veränderung des Stoffwechsels verstärken. Ab einem Umfang von 94cm bei Männern bzw. 88cm bei Frauen sind die allgemeinen Gesundheitsrisiken erhöht.
9. Diabetes Typ 2
Diabetes Typ 2 entwickelt sich meist im Zusammenhang mit Bewegungsmangel und Übergewicht. Die Störung des Zuckerstoffwechsels ist eine zusätzliche Belastung für die Blutgefässe, was neben zahlreichen Komplikationen auch Demenz begünstigt.
Auch noch wichtig
Die veröffentlichte Studie hat zahlreiche Arbeiten zusammengefasst. Es gibt dabei aber auch Faktoren, über die es wenig Studien gibt. So haben ungesunde Ernährung und übermässiger Alkoholkonsum wohl ebenfalls negative Folgen auf das Gehirn. Ausserdem gibt es andere Studien, die zeigen, dass die Langzeiteinnahme von rezeptpflichtigen Schlafmitteln (Benzodiazepine und Schlafmittel, deren Wirkstoffnamen mit Z anfangen) ebenfalls das Demenzrisiko erhöhen.
Die oben genannten Faktoren machen 35% des Demenzrisikos aus. Der Rest setzt sich aus Faktoren mit kleinerem Einfluss (weniger als ein Prozent) zusammen oder solchen, die wir noch gar nicht kennen oder nicht beeinflussen können (zum Beispiel Vererbung). Die Studienautoren weisen auf die Dringlichkeit hin, mehr Prävention für Demenz zu betreiben. Denn die Prognosen sprechen von einem Anstieg von heute weltweit 47 Millionen betroffenen Menschen auf rund 150 Millionen im Jahr 2050.
Autor:
Florian Sarkar, eidg. dipl. Apotheker
Quellen:
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