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Interaktionen, die auch der Computer nicht sieht

Wechselwirkungen zwischen Medikamenten führen zu grossen Problemen. Inzwischen unterstützen elektronische Programme die Fachperson beim Finden solcher Interaktionen. Aber nicht immer...

Das vorliegende Rezept ist für eine schwangere Frau bestimmt. Von Interesse sind hier die ersten beiden Medikamente: Flagyl und Neocitran Hustentropfen.

 

Flagyl ist ein Antibiotikum. Zur Not kann es auch in der Schwangerschaft eingesetzt werden. Es hat einen sehr wichtigen Haken: Während und bis 24 Stunden nach der Einnahme darf kein Alkohol eingenommen werden. Schon kleinste Mengen Alkohol können den sogenannten Antabus-Effekt auslösen: Hautrötung, Erbrechen und Herzrasen.

 

Hier kommen die Hustentropfen ins Spiel. Der Wirkstoff wäre in der Schwangerschaft ebenfalls einsetzbar. Aber: Die Tropfen enthalten 53% Alkohol. Bei einer Verabreichung mehrmals täglich hätte dies bereits für den Antabus-Effekt gereicht. Sie hätte also enorme Beschwerden bekommen, einen erneuten Arzt benötigt und eine sehr schlechte Erfahrung mit der Medizin gemacht.

 

Die verschreibende Ärztin war zum jeweiligen Zeitpunkt nicht erreichbar. Wir haben daher in eigener Verantwortung das Präparat gegen eines in Tablettenform ausgetauscht und die verschreibende Ärztin in Nachhinein informiert.

Interaktionen sind ein Dauerbrenner

Interaktionen, also Wechselwirkungen, sind ein wichtiger Risikofaktor bei Behandlungen mit Medikamenten. Sie sorgen regelmässig für Notsituationen - bis hin zu Todesfällen. 

 

Die Mechanismen und das Risikopotential sind extrem vielschichtig und sind für jedes Medikament unterschiedlich. Darum kommen auch elektronische Interaktionssysteme zum Einsatz. Sie werden in Apotheken und teils auch in Arztpraxen und Spitälern eingesetzt. Dank Fütterung mit tausenden Datensätzen vermögen sie Interaktionen unterschiedlicher Schweregrade zu erkennen.

Interaktionen sind Fachgebiet des Apothekers

Allerdings sind auch diese Systeme nicht vollkommen. Denn solche Programme vergleichen nur die Interaktionen zwischen den Wirkstoffen. In diesem Fall geschieht die Interaktion jedoch zwischen einem Medikament und dem Hilfsstoff eines anderen Medikaments.

 

Entsprechend entging diese Interaktion dem Computersystem - nicht aber dem wachsamen Auge des Apothekers. Denn in seiner universitären Ausbildung spielen die Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln eine grosse Rolle.

 

Ebenfalls nicht erkannt werden Interaktionen zwischen Medikamenten und Krankheiten. Wenn zum Beispiel eine Patientin mit Asthma-Medikamenten ein Aspirin verlangt, würde der Computer dies ebenfalls nicht erkennen. Ein Apotheker weiss hingegen, dass Aspirin bei Asthmatikern das Risiko eines Anfalls erhöht.

Zusammenarbeit für eine bessere Medizin

Solche Fälle zeigen auch, weshalb Ärzte und Apotheker immer zusammenarbeiten sollten. Jeder hat ein anderes Spezialgebiet und kann dem Patienten daher einen Zusatznutzen zukommen lassen. Dadurch werden die Qualität und Sicherheit für Patienten verbessert. Der Apotheker ist hier ein wichtiges Sicherheitsnetz und kann auch dann helfen, wenn der Arzt gerade nicht erreichbar ist.

 

Zudem können Patienten den Apotheker auch um eine Zweitmeinung bei der Verschreibung fragen. Wegen dieser fachlichen Mehrwerte ist es auch ein Grundrecht der Patienten, ihre Medikamente in der Apotheke zu beziehen.

Autor:

Florian Sarkar, eidg. dipl. Apotheker

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